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Russell besiegt Hamilton (wieder): Ist eine Ära vorbei?

Russell besiegt Hamilton (wieder): Ist eine Ära vorbei?

16-11-2022 00:10

GPblog.com

Es hat bis November gedauert, bis Mercedes endlich den ersten, begehrten Sieg der Saison feiern konnte. Nicht Lewis Hamilton, sondern sein junger Teamkollege George Russell holte sich den Sieg in Brasilien. Außerdem liegt Russell in der WM-Wertung vor dem siebenfachen Weltmeister. Das wirft die Frage auf: Ist die Ära Hamilton vorbei?

Die Glückwünsche kamen von Herzen. Als Russell unter Tränen die Auslaufrunde absolvierte, sprach Hamilton über den Bordfunk von einem "großartigen Ergebnis für das Team" und gratulierte Russell herzlich. Es war kein bisschen zynisch, obwohl Hamilton selbst gerne wieder auf der obersten Stufe des Podiums gestanden hätte. Der Rekordchampion sah ein, dass er von Russell, der einen äußerst überzeugenden Sieg einfuhr, ziemlich geschlagen worden war.

Übertroffen?

Nur in Abu Dhabi (ausgerechnet Abu Dhabi) wird Hamilton die Möglichkeit haben, doch noch zu gewinnen. Sollte er den Sieg verpassen, wäre es das erste Mal in seiner Formel-1-Karriere, dass Hamilton eine Saison ohne Sieg beendet. Schaut man sich nur die oben genannten Statistiken an, liegt die Vermutung nahe, dass Hamilton - mittlerweile 37 Jahre alt - damit von seinem Landsmann überholt worden ist.

Wer tiefer in die Zahlen eintaucht, wird sehen, dass das gar nicht so schlecht ist. Hamilton scheint wenig von seinem Speed verloren zu haben, vor allem im Qualifying. Das Qualifikationsduell zwischen den beiden fällt zu Hamiltons Gunsten aus (12:9). Außerdem war Hamilton bis einschließlich Mexiko im Durchschnitt schneller als Russell, wenn auch nur um 0,039 Sekunden (gezählt nur auf trockener Strecke und damit unter gleichen Bedingungen). Die Tatsache, dass Russell in Interlagos rund zwei Zehntel schneller war als Hamilton, war also schon ein wenig auffällig.


Ein ebenbürtiger Gegner

Russell lag bei Grands Prix 10 Mal vor Hamilton, während dieser seinen Teamkollegen neun Mal schlug (Ausfälle nicht mitgerechnet). Auch hier überholen sich die beiden also gegenseitig nur knapp. Kurz gesagt, Hamilton und Russell sind in einem Auto, das im Laufe des Jahres immer besser geworden ist, sehr gleichwertig. Das Auto scheint Hamilton immer besser zu liegen, der zu Beginn der Saison mehr Probleme hatte, sich an das Porpoising zu gewöhnen als sein Teamkollege.

Und seien wir mal ehrlich: Hätte es am vergangenen Freitag in Q3 nicht geregnet, hätte Russell den Grand Prix mit ziemlicher Sicherheit nicht gewonnen. Dummerweise parkte er seinen Mercedes während des wichtigen Qualifyings im Kiesbett, was eine rote Flagge zur Folge hatte. Die Bergung seines Autos bedeutete, dass wertvolle, trockene Minuten verloren gingen. In dem Moment, in dem es wieder möglich war zu fahren, fiel Wasser vom Himmel. Ohne Regen hätten die nötigen Konkurrenten Russell in der verbleibenden Zeit mit ziemlicher Sicherheit überholen können. Jetzt waren sie chancenlos.


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Vom dritten Startplatz aus gewann Russell das Sprintrennen, um einen Tag später vom ersten Platz in den Grand Prix zu starten. Direkt hinter ihm lag Hamilton, der in der Anfangsphase des Rennens nach einer Kollision mit Max Verstappen mehrere Plätze zurückfiel. Der ehemalige Champion musste sich dann durch das Feld bis auf Platz zwei vorarbeiten. Seine gezeigte Geschwindigkeit und die Zeit, die er beim Zurückkämpfen verloren hat, sind ein schönes Indiz dafür, dass Hamilton Russell durchaus hätte schlagen können, wenn er nicht Pech gehabt hätte.

Wenn. Im Sport zählt das nicht. Was zählt, sind die Fakten. Tatsache ist, dass Hamilton Zweiter wurde und Russell gewann. Zweifellos hat ihm dieser erste Sieg eine Last von den Schultern genommen. Aber George Russell ist George Russell. Ein guter Fahrer. Ein Spitzenfahrer vielleicht. Aber er ist kein Ausnahmetalent wie Hamilton. Schau dir Fernando Alonso an, einen anderen großartigen Fahrer. Der Spanier ist jetzt 41 Jahre alt und zeigt regelmäßig, dass seine außergewöhnlichen Fähigkeiten nie verloren gehen. Zweifellos gilt das auch für Hamilton.

Gute Zeiten

Wenn Mercedes es schafft, in der nächsten Saison ein Auto in die Startaufstellung zu stellen, das mit Red Bull mithalten kann, erwartet die Fans eine gute Zeit. Besonders nach einem katastrophalen Jahr wie dem aktuellen wird Hamilton beweisen wollen, dass er noch nicht abgeschrieben ist. Auf jeden Fall kann er immer auf seine Erfahrung und sein Talent zurückgreifen. George Russell wird es zweifellos schwer haben, Hamilton in einem konkurrenzfähigen Auto strukturell hinter sich zu halten.