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Analyse | Warum Toto Wolff bei Mercedes intern nicht unter Druck steht

Analyse | Warum Toto Wolff bei Mercedes intern nicht unter Druck steht

12-11-2023 12:08 Letztes Update: 20:43

Ludo van Denderen

Die britische Presse hat in den letzten Tagen ihre Messer gewetzt. Wenn du die Boulevardzeitungen aufschlägst, wirst du irgendwo eine Geschichte über Toto Wolffs Zukunft bei Mercedes lesen - oder besser gesagt, darüber, dass er nach Meinung der Medien nicht dort sein sollte. Das passt zur Urteilskultur im englischen Sport: Wenn ein Sportteam keine Leistung bringt, geht der Kopf des Verantwortlichen ab. Doch in Wirklichkeit sitzt Toto Wolff immer noch fest im Sattel.

Der deutsche Teamchef konnte es in Brasilien kaum glauben. Er hatte sein Team seit Jahren nicht mehr so schlecht spielen sehen. George Russell war zurückgefallen, bevor er ausschied. Lewis Hamilton schaffte es zwar ins Ziel, spielte aber nur eine Nebenrolle. Er holte nur vier hart erkämpfte Punkte.

Wolff der richtige Mann für Mercedes?

Der plötzliche Absturz von Mercedes beunruhigt die Fans und natürlich die (britischen) Medien. Vielleicht noch wichtiger: Wie wird das einst erfolgreiche Team wieder an die Spitze kommen? Von verschiedenen Seiten werden nun Stimmen laut, ob Toto Wolff der richtige Mann ist, um den Weg nach oben zu beginnen. So wird zum Beispiel angeführt, dass Wolff bei Erfolgen gerne im Mittelpunkt steht, während er in Zeiten der Malaise mit dem Finger auf andere zeigt.

Wie anders wäre es bei Red Bull Racing - dem großen Rivalen von Mercedes: Sobald du dort das Trikot des Teams anziehst, wird dich Teamchef Christian Horner immer beschützen, heißt es. Wolff hingegen legt deinen Kopf öffentlich auf den Hackklotz. Und genau deshalb gibt es in den Medien den Verdacht, dass der Österreicher nicht der Mann sein wird, der alle wieder in die richtige Richtung lenkt.

Ein Abgang von Wolff steht nicht zur Debatte

Doch von einem Abgang Wolffs kann vorerst keine Rede sein, vor allem weil er nicht nur der Teamchef ist. Es ist Toto Wolff, der das Team aufgebaut hat und einer der Hauptaktionäre ist. Ihm gehört ein Drittel der Anteile. Außerdem macht eine Schwalbe noch keinen Sommer aus; im Guten wie im Schlechten.

Die Leistung von Mercedes in Brasilien war schlecht, aber gleichzeitig ist das Team Zweiter in der Konstrukteursmeisterschaft, hinter dem uneinholbaren Red Bull. Lewis Hamilton wird wahrscheinlich Dritter bei den Fahrern werden, was eine Verbesserung gegenüber 2022 bedeutet. Wir sollten auch nicht vergessen, dass Veränderungen in der Formel 1 Zeit brauchen. Red Bull hat viele Jahre gebraucht, um aus dem Schatten von Mercedes herauszutreten. Jetzt sind die Rollen vertauscht. So ist der Sport. Nicht jeder kann gewinnen. Und wenn sie es nicht können, dann werden sie einfach Zweiter. Bei Mercedes sieht es so aus, als würde man genau das tun.

D'Ambrosio noch nicht als Ersatz bereit

Auch intern bei Mercedes steht kein adäquater Ersatz für Wolff bereit. Jerome D'Ambrosio wurde geholt, um den Österreicher 2023 abzulösen. Derzeit ist der Belgier Motorsport Executive und Driver Development Director des Teams und leitete Mercedes zuletzt sogar selbst zwei Grands Prix. Wolff fehlte damals wegen einer Operation zur Genesung. Eines dieser Rennen war der Große Preis von Katar, das berüchtigte Rennen, bei dem Lewis Hamilton und George Russell zusammenstießen.

Letzterer meckerte so lange darüber, dass Wolff aus seinem Wohnzimmer in Monaco über den Teamfunk kommen musste, um den Briten zur Ordnung zu rufen - so viel zur Autorität von D'Ambrosio, der offenbar noch an seiner Überlegenheit arbeiten muss.

Mit einem geschätzten Vermögen von 1,6 Milliarden Euro ist Wolff sicher. Man wird nicht zum Milliardär, indem man immer freundlich ist; man muss ein gewiefter, manchmal harter Geschäftsmann sein. Das ist der Weg zum Erfolg. Wolff ist sich zweifellos bewusst, dass er manchmal hart und unverblümt rüberkommt, aber das ist Teil seiner Gewinnermentalität. Indem er jetzt hart und unverblümt auftritt, stellt er sicher, dass das Team auch mit Wolff als Teamchef wieder erfolgreich sein wird.